Fünf Kurzportraits einiger besonders mutiger Angehöriger von sexuellen Minderheiten im Süden.
Patria Jiménez ist im katholisch-konservativen, männerdominierten Mexiko eine auffällige Erscheinung. Nicht nur ist sie Frau, Feministin und Zapatista-Aktivistin. Sie war auch die erste Parlamentsabgeordnete in Lateinamerika, die sich offen zu ihrer Homosexualität bekannte. Ihren Sitz (1997-2000) gewann sie auf der Liste der oppositionellen Partei der demokratischen Revolution (PRD).
„In meiner Kampagne konzentrierte ich mich besonders auf die Unterdrückung von Schwulen und Lesben. Ich trat in Dutzenden Städten öffentlich auf, zog durch die mexikanischen Gay-Bars, Veranstaltungssäle usw., stellte mein Programm vor und versuchte, Diskussionen anzuregen.“ Viele Hürden sind im Kampf um Gleichberechtigung zu überwinden: „Es herrscht ein bedrückendes Klima der Intoleranz, insbesondere in Polizei und Justiz. Es gab mehrere Morde mit Polizeibeteiligung, im Bundesstaat Chiapas und auch anderswo.“ Über Homosexualität wird aber bei den Zapatistas offen diskutiert, sagt sie.
Die langjährige Aktivistin ist auch Mitbegründerin der lesbisch-feministischen Gruppe „El Clóset de Sor Juana“, benannt nach Juana Inés de la Cruz, einer mexikanischen Nonne und Dichterin des 17. Jahrhunderts.
E-Mail: closetsj@laneta.apc.org
Die Rebellin vom Land
Poliyana Mangwiro war 14 Jahre alt, als ihr klar wurde, dass sie eine „Frau, die Frauen liebt“ ist. Aber sie erzählte niemandem davon. „Ich war mir meiner selbst nicht sicher. Das Wort lesbisch‘ kannte ich nicht. Dort am Land, wo ich lebte, hätte es niemand gekannt.“ So tat sie, was die meisten Mädchen am Land tun – sie heiratete. Mit 17 hatte sie zwei Kinder. Mit 20 verließ sie ihren Mann. „Ich dachte: Ich liebe diesen Mann nicht. Also lass mich fortgehen‘.“ Sie ging nach Harare, wo sie sich 1989 einer neugegründeten Lesben- und Schwulenorganisation namens GALZ (Gays and Lesbians of Zimbabwe) anschloss.
1996 begann eine harte Zeit. Ein GALZ-Stand auf der Internationalen Buchmesse von Harare, den sie betreute, wurde von einer Anti-Gay-Gruppe angegriffen, worauf die sensationslüsterne Presse mit homophoben Artikel reagierte. Als Poliyana in ihr Dorf zurückkehren wollte, wurde sie von der Gemeinschaft und auch von ihrer Familie abgewiesen. „Sie sagten, ich gehörte nicht dorthin, weil ich homosexuell bin und das sei etwas für Weiße.“ Heute macht sie ihnen keine Vorwürfe mehr: „Sie hatten keine Ahnung. Heute beginnen sie langsam einzusehen, dass eine Lesbe ein menschliches Wesen wie jedes andere ist.“ Ihre Priorität heute: Bildungsarbeit am Land. „Die Leute müssen erfahren, dass es uns gibt und dass lesbisch oder Gay zu sein zu unserer Kultur gehört. Es gibt sogar ein Wort in Shona dafür: ngochani.“
E-Mail: galz@samara.co.zw
Eunuchen als PolitikerInnen
„Für die Politik braucht man keine Geschlechtsorgane. Köpfchen muss man haben.“ Dieser ungewöhnliche Slogan stammt von Shabna Nehru, dem ersten Eunuchen, der bei Parlamentswahlen in Indien kandidierte. Sie wurde zwar nicht gewählt, aber ihre Arbeit als Gemeinderätin in Hisar ist beispielhaft. Wenn es um Wasserleitungen, Kanalisierung oder neue Straßen für ihren Bezirk geht, ein ehemaliges Elendsviertel, stellt sie alle ihre KollegInnen in den Schatten. „Ich habe die Leute früher mit meinem Tanz unterhalten“, sagt Shabna mit ihrer rauen Stimme, die merkwürdig mit ihrer Bekleidung kontrastiert, einem sorgfältig gefaltenen Sari in den Farben der indischen Flagge – safrangelb, weiß und grün. „Jetzt unterhalte ich sie, indem ich Gutes tue, humanitäre Arbeit leiste.“
Der Weg der Gemeinderätin in die Politik begann in der südindischen Stadt Bangalore. Sie kam als Kind von Geschäftsleuten aus einer höheren Kaste zur Welt – als Eunuch, sagt sie: „Ich gehöre zu beiden Geschlechtern, aber ich wurde als Mädchen aufgezogen“. Als ihre Mutter starb, wurde sie von einer Eunuchengruppe aufgenommen. Berüchtigt dafür, ungeladen bei Hochzeiten zu erscheinen, schmutzige Lieder zum Besten zu geben, zu tanzen und erst gegen Geld wieder zu verschwinden, stehen sie in der sozialen Leiter noch unterhalb der Unberührbaren.
Shabna und einige wenige andere politisch aktive Eunuchen beweisen jedoch, dass die lange als Missgeburten (oder Hijras, „Impotente“) ausgegrenzten Eunuchen sich langsam Respekt in der Öffentlichkeit verschaffen. Im März 2000 jedenfalls gelang es mit Shabnam Mausi dem ersten Eunuchen, einen Sitz im indischen Parlament zu erringen.
www.ilga.org/information
Die singende Transsexuelle
Yaron Cohen, Kind einer aus dem Jemen eingewanderten Familie, machte als Dana International Schlagzeilen, als sie 1997 den Eurovision Song Contest für Israel gewann. Nichts Besonderes, mag sein – irgendwer muss ja gewinnen. Aber Dana ist Transsexuelle, und der bloße Gedanke, dass sie das Land vertreten könnte, ließ die einflussreichen Vertreter der religiösen Orthodoxie in Israel rotieren. Manche überlegten sogar, die Regierung aus diesem Anlass zu stürzen. Die Tausenden Menschen, die den Sieg in den Straßen von Tel Aviv feierten, waren anderer Meinung. „Der Gewinn des Song Contest zeigte, dass sich die Zeiten ändern“, so eine euphorische Dana. „Wir sind alle gleich. Ich vertrete die gewöhnlichen Israelis, alle AraberInnen, die ChristInnen – jede(n), der(die) von mir vertreten werden will“.
Dana war bereits als Frauenimitatorin in den Nachtclubs von Tel Aviv bekannt, als sie sich 1993 in London einer Geschlechtsumwandlung unterzog. Seit dem Song Contest kämpft sie weiter gegen Vorurteile – in Zusammenarbeit mit Amnesty International.
www.gender.org/gain
Der schwule Muslim-Aktivist
Mit seiner leisen Stimme wirkt Omar Nahas wie die Vorsicht in Person. Falls er Tabus bricht, dann auf die denkbar sanfteste, zurückhaltendste Art. Homosexualität ist in den meisten islamischen Gemeinschaften so gut wie tabu. Manche schwule Muslime ziehen die Konsequenz, indem sie sich von ihrer Religion abwenden. Andere sind bemüht, heilige Texte in einem toleranteren Geist neu zu interpretieren. Der in Syrien geborene Omar beschreitet einen eigenen Weg: Er spricht mit Imamen (religiösen Führern) über Homosexualität. Bisher tat er das in erster Linie in muslimischen Gemeinschaften in seiner Wahlheimat, den Niederlanden. Dort ist er für die Stiftung YOESUF tätig, eine Organisation, die über den Islam und männliche und weibliche Homosexualität informiert.
In einer von hoher Intoleranz geprägten Gesellschaft reichen theologische Diskurse nicht aus, meint Omar. „Zuerst müssen grundlegende Voraussetzungen geschaffen werden, damit die Menschen Argumente für mehr Toleranz für Homosexuelle tolerieren. Diese Voraussetzungen lassen sich am besten innerhalb der Religion selbst schaffen. Nur dann sind die Menschen bereit, deine Anliegen zu akzeptieren.“
E-Mail: education@yoesuf.nl
copyright New Internationalist
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